09/09/2025
Obwohl Studien ihre Schutzwirkung bei schweren Kopfverletzungen belegen, nutzen viele Radfahrerinnen und Radfahrer im Alltag keinen Helm. Dieses Verhalten ist nicht ausschließlich auf Unkenntnis zurückzuführen, sondern resultiert aus unterschiedlichen psychologischen und soziologischen Faktoren.
Im Bereich der Psychologie spielt die Risikowahrnehmung eine bedeutende Rolle. Der sogenannte „Optimismus-Bias“ führt dazu, dass Menschen annehmen, Unfälle träfen eher andere als sie selbst. Zudem schätzen viele das Radfahren subjektiv als weniger gefährlich ein als das Autofahren. Zusätzlich werden Helme häufig als unbequem, warm oder unattraktiv wahrgenommen, was die Bereitschaft zum Tragen senken kann und etablierte Gewohnheiten verstärkt. Identitätsaspekte spielen ebenfalls eine Rolle; wer sich als routinierter Alltagsradler sieht, lehnt den Helm eventuell ab, da er nicht zum eigenen Selbstbild passt.
Soziologisch sind weitere Einflüsse zu erkennen. In Ländern mit Helmpflicht wie Australien oder Neuseeland ist das Helmtragen gesellschaftlich verbreiteter als in Ländern ohne Pflicht wie der Schweiz, Deutschland oder den Niederlanden, wo individuelle Entscheidungsfreiheit stärker betont wird. Auch ästhetische und modische Überlegungen beeinflussen das Tragen von Helmen. Besonders Jugendliche verzichten oft darauf, da Helme als unattraktiv gelten. Das Tragen eines Helms signalisiert darüber hinaus Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen: Sportlich orientierte Radfahrer tragen Helme häufiger als Alltagsradler in städtischem Umfeld. In manchen Fällen wird das Helmtragen auch politisch interpretiert, etwa als Zeichen für Sicherheitskultur oder staatliche Einflussnahme.
Empirische Untersuchungen bestätigen die Vielfalt dieser Faktoren. In der Schweiz lag die Helmtragequote 2023 bei etwa 60 Prozent; Kinder tragen öfter einen Helm als Jugendliche (unter 30 Prozent). In Deutschland nutzen rund 43 Prozent der Radfahrenden einen Helm, wobei der Anteil in Städten geringer ist als auf dem Land. In den Niederlanden tragen weniger als fünf Prozent der Alltagsradler einen Helm, was teilweise mit einer als sicher geltenden Verkehrskultur erklärt wird. Geschlechterunterschiede zeigen, dass Männer tendenziell häufiger Helme nutzen – häufig aufgrund sportlicher Sozialisation – während Frauen häufiger aus ästhetischen Gründen darauf verzichten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Nichttragen von Fahrradhelmen meist nicht auf mangelnde Information zurückzuführen ist. Die Entscheidung ist vielmehr durch verschiedene psychologische Faktoren wie Risikoeinschätzung, Komfort und Identität sowie durch soziologische Aspekte wie Kultur, Normen, Ästhetik und Ideologie geprägt. Massnahmen zur Steigerung der Helmtragequoten sollten diese komplexen Zusammenhänge berücksichtigen. Erfolgversprechend erscheinen Strategien, die die sozialen Bedeutungen des Helmtragens einbeziehen, beispielsweise über modische Designs, Vorbildfunktionen im öffentlichen Raum oder schulische Programme.
Auch wenn ich meinen damaligen Schulweg von Wintersingen nach Sissach und später nach Liestal seinerzeit sehr häufig mit dem Velo bzw. mit dem Mofa – und ohne Helm - zurückgelegt habe, erachte ich das „helmfreie“ Radfahren heute als viel zu gefährlich. Abschreckend sind auch die möglichen Komplikationen, welche sich bei einem Radunfall ohne Helm einstellen können. Auch insoweit finde ich das Radfahren ohne Helm eine denkbar schlechte Idee (vgl. die nachfolgende Aufstellung).